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Inflationszielstrategie - Das Patchwork aus Politik, Finanzwirtschaft und Realwirtschaft

Franz Rieder • Liquiditätsprobleme im Interbankenhandel, Das rechte Kleid zum gegebenen Anlass       (nicht lektorierter Rohentwurf)   (Last Update: 20.05.2019)

Geht es darum, die Liquiditätsprobleme im Interbankenhandel und bei den Geschäftsbanken zu bekämpfen, dann greift man zur Fristigkeitsverlängerung bzw. Ausdehnung von Laufzeiten bei Liquiditätsoperationen. Das klingt technisch, ist aber nichts anderes als die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit wichtiger Finanzmärkte, die alleine nicht mehr marktfähig sind.
Auch bei der Definition der zentralbankfähigen Sicherheiten hat man gerne beide Augen zugedrückt, um nicht die bereits eingetretene Pleite einiger Geschäftsbanken und Zweckgesellschaften bzw. Schattenbanken mit ansehen zu müssen. Dann hat man besonders in den USA noch den Kreis der Geladenen erweitert, die in den Genuss der Notenbankbegünstigungen kommen, also Institute zur Party gebeten, die, wären sie nicht kurz vor oder schon in der Pleite, kaum eingeladen worden wären, die Notenbankgelder anzuzapfen, solange bis alles wieder im Lot ist.

Bei der Bekämpfung der Deflationsgefahr1 setzt man auf andere Mittel. Hier kommen vor allem Kapitalmarktmaßnahmen zum Einsatz, die auf die Senkung der längerfristigen Zinsen sowie auf den leichteren Zugang der Unternehmensfinanzierung abzielen. Das scheint ganz im Sinne der christlichen Tradition: wer nichts hat, dem werde gegeben, ist aber eine Belohnung für arg unchristliches Verhalten über den Umweg. Denn der Kauf von Unternehmensanleihen hilft nicht nur bei der Refinanzierung von Unternehmen, sondern stimuliert auch deren Emissionslust durch Absenkung der Risikoprämien, was auch den Emissionsbanken zugute kommt. Wenn also der Party der Champagner ausgeht, kommen die Notenbanker mit Nachschub satt fast für umsonst.

Bei Finanzkrisen kommt es regelmäßig zu der sog. Kontraktion des Wirtschaftsgeschehens. Dies ist in zweierlei Hinsicht zu betrachten. Einmal geht diese Kontraktion mit sinkenden Steuereinnahem und steigenden Staatsausgaben einher. Der fiskalische Aspekt gründet meist in einer sich selbst verstärkenden Abschwungphase, die wiederum mit Lohn- und Preisspiralen, die eher nach unten gehen oder sich um ein bestimmtes Niveau drehen, einhergehen.
Die haushalterischen Aspekte gründen hauptsächlich auf Kosten für Banken-Rettungspakete, die die Risiken von Banken auf den öffentlichen Sektor übertragen. Diese Umverteilung hat direkte wie auch indirekte Effekte, sowohl für den privaten Sektor wie auch für die Wirtschaft.

Der direkte Kauf von Staatsanleihen durch die Notenbanken mag primär das Ziel verfolgen – wie etwa im Falle der Griechenlandanleihen – den Anstieg des langfristigen Zinssatzes sowie die Risikoprämien von Staatsanleihen hoch verschuldeter Staaten, die durch den Anstieg der Staatsschulden ständig weiter steigen zu reduzieren. Neu aber wurde die Erfahrung im Zuge der Griechenlandkrise gemacht, dass alle Maßnahmen der EZB nicht ausreichten, um die Schuldentragfähigkeit Griechenlands wieder her zu stellen.

Kurz gesagt, Griechenland ist lange schon Pleite, aber das ist nicht die causa, um die es hier geht. Wie immer so schön behauptet wurde und wird, hätte die sich selbstverstärkende Tiefenrezession mit weltweiter Ausprägung ihren Grund im Platzen einer Immobilienblase gehabt. Das mag dem ein oder anderen genügen, aber wer glaubt, dass die zahlreichen Bankzusammenbrüche und Kontraktionen im Bankensektor – siehe die Deutsche Bank u.v.a.m. – allein durch die Immobilienkrise verursacht wurde; der glaubt auch an Klapperstorch und Weihnachtsmann.

Der Klapperstorch kam in Gestalt von drei Fruchtbarkeitshilfen. Die Signalwirkung der monatlichen Notenbankankündigungen hinsichtlich eines längerfristigen niedrigen Zinspfades  sind allein schon durch die Tatsache, dass hier in eigener Sache gesprochen wird, glaubwürdig. Und so die Inflation niedrig bleibt, ermöglicht dies größere Allokationumschichtungen größerer Vermögen.

Der Vermögenseffekt, der den des Signaleffektes nahtlos folgt, erfreut mit sichtbaren Kurszuwächsen die Besitzer von Staatsanleihen. Aber auch die Aktienmärkte erfreuen sich höchster Beliebtheit in den USA und in Deutschland. Denn, anders als etwa in den Ländern mit einer hohen und noch steigenden Staatsschuldenquote, können die besser gestellten Volkwirtschaften mit einem fiskalischen Effekt rechnen, der die Geldbörse leichter öffnet.

Würde die Krise der Staatsfinanzierung durch monetäre, sprich steuerliche Maßnahmen bewältigt, hätte das sofort Auswirkung auf das Sparverhalten und das Konsumverhalten der Bürger in diesen Staaten. Die Tatsache, dass dafür aber konjunkturstabilsierende Maßnahmen ergriffen werden, reduziert die Angst vor Steuerhöhungen enorm.

Der Kauf von Staatsanleihen durch die Notenbank hat also auch diesen Vorteil, dass der Bürger kurzfristig nicht merkt, dass sein Geld verschwindet, was bei einer Steuererhöhung anders wäre. Wenn dann Konjunkturmaßnahmen greifen, Löhne und Preise moderat steigen, schadet das also weder Konsum noch Sparverhalten.

Bei schwereren Turbulenzen am Geldmarkt wird laut allgemeiner Lehrmeinung ein Transmissionsmechanismus der Geldpolitik stark geschädigt: der Zinskanal. In Zeiten moderater Inflation, eines einigermaßen stabilen Bankensystems, wobei über Stabilität in diesem Sektor noch gesondert zu sprechen sein wird, und entsprechend stabiler Finanzmärkte zielen die Maßnahmen der Notenbanken auf die Preisstabilität. Nicht ganz unberücksichtigt mittlerweile auch im Direktorium der EZB bleiben Konjunkturschwankungen und auch Schwankungen bei Wachstum und Beschäftigung, so diese Sektoren zu stark schwanken oder sich als instabil, d.h. als politisch unterversorgt herausstellen.

Ist die Null-Grenze des Leitzinses in der Nähe, dann gelten andere Prioritäten der Notenbanken. An dieser Grenze sind weitere systemische Faktoren im Ungleichgewicht, vor allem die Intermediatisierungsfunktion von Banken und Finanzmärkten. Banken wie Finanzmärkte wirken wie Plattformen der Geldversorgung, die aber weder nach dem Laissez-fair-Prinzip noch nach L’art pour l’art arbeiten. Aber diesen Traum haben die Intermediäre heute zunehmend mehr im Auge, wenn es um ihre Geschäfte geht; so viel vorab dazu.

Seit der Finanzkrise boomen die unkonventionellen Maßnahmen, mit denen, prima vista, Deflation und Instabilität des Finanzsystem bekämpft werden sollen. Wenn aber die Finanzmärkte immer längere Phasen der Instabilität zeigen, die Transmissionsmechanismen der Geldpolitik also nicht mehr funktionieren, kommt es zu einer immer breiteren Interaktion zwischen Notenbanken und anderen volkswirtschaftlichen Sektoren, die eigentlich bis dato nicht vorgesehen war.

So verlagern sich zunehmend die konventionellen Finanzierungsströme von einer bankenbasierten Volkswirtschaft hin zu alternativen Finanzierungsströmen. Der zinspolitische Spielraum der Notenbanken ist nicht mehr alleiniger Handlungsspielraum der Geldpolitik. Die verfügt über eine Fülle unkonventioneller Maßnahmen jenseits dieses engen Rahmens der Zinspolitik und überschreitet so die Grenze zur Wirtschaftspolitik auf breiter Front. Die Notenbanken sind stets auch ein Spiegel gescheiterter parlamentarischer Handlungsfähigkeit und -bereitschaft.

Die Bilanzen der Notenbanken sind intransparent. Im Gegensatz zur normalen Wirtschaft erkennt man in ihnen die Bedeutung ihrer Maßnahmen generell nicht. Indem Notenbanken Geschäftsbanken in einem riesigen Ausmaß direkt Liquidität zur Verfügung stellen, weiten sich die Notenbankbilanzen zwar enorm aus, aber wer was wofür an Liquidität bekommen hat, ist von den Bürgern und sogar von Expertenkreisen weder genau zu erkennen, noch zu bewerten und somit auch nicht zu kontrollieren.

Denn hinzu kommt, dass zu der Ausweitung der Liquiditätsversorgung auch andere Arten von Geschäftsvorgängen aus den sog. unkonventionellen Handlungen in die Bilanzen eingehen, sich also die Struktur der Bilanzen mit der Änderung der Struktur der Geldpolitik der Notenbanken ebenso verändert und sich so auch die Mittelverwendung verschleiert und schließlich bleibt sodann auch die Kontrolle eines effizienten Mitteleinsatzes auf der Strecke. Und damit beklagen wir nicht den sog. Gießkanneneffekt.



Patchwork Family


Sah man den Kaiser früher gelegentlich in neuen Kleidern, so laufen seine ungekrönten Nachfahren heute in einer Mode wie im Straßenkarneval oder beim Christopher’s Street Day herum. Und hier wie dort mischen sich die Beteiligten aus den unterschiedlichen sexuellen Orientierungen.

Solange die Party auf offener Straße stattfindet, sind Probleme heute selten; zumindest im aufgeklärten, urbanen Umfeld. Bei ernsteren Absichten aber bleiben die Orientierungen lieber unter sich, Querverbindungen über die Grenzen hinweg sind eher selten.

Mit dem Geld ist es wie mit der Macht. Je mehr an Papiergeld aufgeschichtet wird, desto mehr glaubt man angesichts der großen Stapel, dass auch die Sicherheit des Systems und der Wohlstand entsprechen groß sind. Dabei hat man nichts anderes, als Papiergeldillusionen, die durch Kreditpyramiden geschaffen werden.
Und auf den Pyramiden sitzen die Notenbanker und glauben daselbst wieder daran, dass diese enormen Papiergeldillusionen etwas anderes schaffen als viele, ohne sie nie entstandenen realen Projekte, die dann letzten Endes sich als nichts anderes erweisen, als Projekte, die nur noch aufrecht zu erhalten sind durch das, was eigentlich in der Realwirtschaft unerwünscht ist, nämlich durch Wertverfall. Das vorläufige Ende der Illusion ist dann: besser noch ein bisschen Wert als gar keinen.

In der Aktienwirtschaft wird das als ein fallendes Messer bezeichnet, von dem man tunlichst seine Finger lassen sollte. Aus der frühen Bildung wissen wir, was solche Prozesse hervorbringen, nämlich Scheinriesen wie den Herrn Tur Tur aus Jim Knopf und die Augsburger Puppenkiste.

Illusion erzeugt Illusion. Daran ändert auch nichts, dass viele unterschiedliche Beteiligte ihre Mitwirkung anbieten und auch mal gerne der Illusion nachgehen, ein Riese zu sein; am Ende erweisen sich die Riesen als eine Horde Zwerge.
So haben die Notenbanken bislang schon eine ganze Patchworkfamilie zusammengekauft aus Politik, Finanzwirtschaft und Realwirtschaft, die alle am Homunkulus fleißig schaffen.
Wäre man in der Finanzkrise der Taylor-Regel konsequent gefolgt, hätte die Berechnung des Notenbank-Zinses -5% ergeben2 . Ein irrer Wert.

Ebenso irre scheinen auch die Berechnungen der Kosten für die Party, die im Durchschnitte vergangener Krisen, drei Jahre nach dem Ausbruch die Staatsschulden real um 90% haben steigen lassen sollen3. Selbst wenn diese Zahlen wissenschaftlich manipuliert sind, zeigen sie aber eins, die Party wurde immer teuer und immer mehr Gäste wurden geladen und fürstlich verköstigt.

Bedenkt man, dass mit dem Übergang zur Inflationszielstrategie Preisstabilität überwiegend als primäres Ziel der Geldpolitik in vielen Industrieländern in den frühen 1990er Jahren und in den Folgejahren auch zunehmend bei Schwellenländern statuarisch verankert wurde, so hieße das, übertragen auf unsere Partykosten, dass diese zumindest im Rahmen bleiben sollten; dem war und ist nicht so.
Auch der Vertrag von Maastricht legt die Sicherung der Preisstabilität als das primäre, geldpolitische Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) fest. Gleichzeitig aber verpflichtete der Maastrichtvertrag auch zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft, die in Artikel 2 EG-Vertrag festgelegt sind, wie beispielsweise eine hohe Beschäftigung. Der Humphrey Hawkings Akt aus dem Jahr 1978 – auch full employment and balanced growth act genannt – legt hingegen fest, dass die Förderung des Wirtschaftswachstums neben der Sicherung der Preisstabilität ein gleichrangiges geldpolitisches Ziel der US-amerikanischen Fed ist4.

Wie bei jedem Patchwork ist auch hier das Problem, dass implizite Annahmen, nämlich die eines realen oder strukturellen Zusammenhanges zwischen den heterogenen Elementen, hier Inflation, Preis und Beschäftigung auch tatsächlich bestehen, dessen wissenschaftlicher Begründung wir aber bis heute ausharren. Die Politik des billigen, nunmehr kostenlosen Geldes hat, wie wir sahen, in absoluten Zahlen die größte Weltwirtschaftskrise aller Zeiten verursacht, war zumindest der Hauptfaktor des Desasters. Als Gegenmaßnahme wurden die Leitzinssätze durch die führenden Zentralbanken der Welt auf nahezu Null Prozent abgesenkt. Einigen Ökonomen in den USA reicht das größte Geldmengenwachstum seit dem Beginn der statistischen Erhebungen im Jahr 1918 nicht aus. Sie spielten mit dem Gedanken, negative Leitzinsen festzusetzen, den dann der Präsident der EZB 2017 verwirklicht hat. Wir wohnen zudem leider keinem Gedankenspiel im Elfenbeinturm bei, sondern einem handfesten Lehrstück von politisch-ökonomischer Gesellschaftsklempnerei.

Wie wir am Beispiel der Taylor-Regel sahen, sind Zentralbanken bzw. Regierungen, in deren „Auftrag“ sie dann unabhängig arbeiten, grundsätzlich nicht in der Lage die optimale Geldmenge und also „optimale Leitzinsen“ zu ermitteln:
„Keine Behörde kann im Vorhinein feststellen, sondern nur der Markt kann entdecken, was die ‚optimale Geldmenge‘ ist“5, urteilte einst der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek.

Der Zins als Ausdruck menschlicher Handlungen, die ein Vertragsverhältnis in Geldangelegenheiten eingehen, bei dem ein Austausch mit Risiko in fast jedem denkbaren Niveau von Höhe der Summen, Laufzeiten, Rückzahlungs- bzw. Tilgungsmodalitäten, Ab- und Versicherungen etc. stattfindet, kann nicht überschaut werden. Neben dieser Unüberschaubarkeit bilden Zinsen in einem generellen Sinne den Marktpreis gegenwärtiger Güter in Abhängigkeit künftiger Güter ab. Die Beziehung zwischen Güter und Geldmenge kann auch so ausgedrückt werden, dass je höher durch Sparen der aktuelle Konsumverzicht, desto niedriger ist der Zins, insofern auch einer bestehenden Gütermenge eine abnehmende Geldmenge gegenüber steht. Aber dies wäre per definitionem eine deflationäre Bewegung, die aber gleichzeitig durch einen kleinen Perspektivwechsel wieder so aussieht, dass durch Konsumverzicht und folglich fallenden Zinsen mehr Geld für Investitionen zur Verfügung steht und der Wohlstand kräftig wachsen könnte.

Wechseln wir den Blick erneut und fragen, welche Konsequenzen wir erwarten dürfen, die jene Manipulationen des Geldes und damit der handelnden Menschen ausgelöst haben, die negative Leitzinsen hervorbrachten, dann müssen wir feststellen, dass eindeutig Schuldner in großem Umfang begünstigt worden sind. Banken, Staaten, Unternehmen wurden vor der Pleite gerettet; proaktive Geld- und Wirtschaftspolitik sähe anders aus. Geldverleih heute sieht so aus, dass jemand, der sein Geld in deutsche Staatsanleihen steckt, dafür sogar noch Geld bezahlt, insofern er garantiert weniger zurück bekommt, als er angelegt hat. Wie fürchterlich muss die „Alternative“ aussehen?

Diese „Alternative“ ist eine anti-investive Phantasie oder Antizipation auf seiten von Konsumenten und Investoren zugleich, die eine stark steigende Inflation voraussehen. So stecken die einen ihr Vermögen in immer teurer werdende Immobilien und hoffen, das kein Wertverfall stattfinden wird, betreiben so aber das Gegenteil.
Die Investoren im Bankenbereich schichten Unsummen an Risikokapital in eine Phantasie eines Free Banking Systems, das ihr eigenes, nach monetärer Zentralwirtschaft organisiertes Geschäftsmodell einmal erfolgreich ablösen soll. Oder Staaten finanzieren wilde Projekte, deren Kostensteigerungen den Bauabschnitten weit voraus eilen wie gleichzeitig auch die deutsche Gründlichkeit in Planung und Bauausführung derart schlampige Handhabung verdeutlicht, dass einem das Grauen in die Augen schießt.
Berlin, Stuttgart, Hamburg sind dabei nur die drei Leuchtturmprojekte des Versagens auf allen Ebenen, dessen Ende jede Form von Wirtschaftlichkeitsdenken ad absurdum führt oder geführt hat.



Zuviel zu wenig


Natürlich ist sie schön, die Elphi. Und Stuttgart 21, wenn der mal fertig wird, und erst der Flughafen in Berlin, da wird der Willy sich sogar im Grabe noch drehen vor Freude.

Auf Kreta, da fährt man auf einer Schottersteinpiste etwas abseits aller belebten Gegenden und plötzlich, wie aus dem Nichts, eine hochmoderne Brücke, circa achtzig Meter lang und auf jeder Seite beleuchtet durch zahllose LEDs auf eloxierten Masten. Und dann, nach achtzig Metern wieder Schotterpiste und das Schild: mit EU-Mittel erbaut.
Vierzigtausend Projekte fördert die EU, mehr als nach der Beantragung überhaupt je ausgeführt werden können, aufgrund von Personalmangel, Zeitmangel, Knowhow-Mangel usw. Ein einzigartiger anti-unternehmerischer Szientismus betreibt die Umsetzung Brüsseler Geldpolitik und meint, mit zahllosen Projekten die Wirtschaft antreiben zu können. Aber zurück zur Deflation.

Aus der Bird-view-Sicht ist Deflation eine im Verhältnis zum Güterangebot schrumpfende Geldmenge. Schrumpft also die Geldmenge, sinken die Preise und noch heute glauben Geldpolitiker, dass wenn Preise auf breiter Front sinken, man von einer Deflation sprechen muss. Unterscheiden wir zwischen Angebots- und Nachfragedeflation.

Bei ersterer bleibt die Geldmenge gleich und die Preise sinken aufgrund von steigender Produktivität in den Unternehmen, die die erzeugte Gütermenge erhöht, teilweise in kürzeren Produktionszeiten. Betrachten wir solche Deflationsphasen in der Geschichte, denn sehen wir, dass diese Phasen durch deutliche Prosperitätszuwächse gekennzeichnet waren wie etwa zum Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA und in Deutschland.

Phasen einer Nachfragedeflation, oder auch sekundären Depression genannt, werden dadurch gekennzeichnet, dass es im Konjunkturabschwung zu einer Kreditkontraktion oder besser gesagt, zu einer Verminderung der Kreditmenge kommt. Banken erhöhen ihre Liquiditätsreserven und betreiben so ihrerseits eine Tiefenwirkung, einen kumulativen oder exponentiellen Prozess, wie dies in der Weltwirtschaftskrise nach 1929 der Fall war.

Die Tiefenwirkung beschleunigt exponentiell um die Faktoren: Rückgang des Geldangebots, allgemeine Verunsicherung durch Antizipation sinkender Kapazitätsauslastungen, zu erwartender Preisrückgang, Anstieg der Arbeitslosigkeit und schließlich dramatischer Rückgang der Nachfrage auf allen Ebenen. Ist das ein Horrorszenario? Wer votiert dagegen?

Und mit ebenso wenig Nein-Stimmen notiert man dann für eine Deflationsgefahr und votiert man für den Einsatz billigen Geldes. Aber was motiviert die sprunghaft steigende Liquiditätsnachfrage? Diese Antwort bleiben Monetaristen und Keynesianer gleichsam schuldig. Beide votieren für geldpolitische Intervention.
Die an Hayek orientierten Österreicher stimmen wenigstens dafür, Projekte, deren Finanzierung nicht aus konventionellen Quellen finanzierbar sind, zu liquidieren, um einen Anstieg von Inflationsblasen zu verhindern und auf eine markt- und konjunkturgerechte Verteilung von Geld sowohl auf die Seite der Arbeit wie des Kapitals zu fokussieren.

Kaum jemand hat sich einmal so wirklich die grundsätzliche Frage gestellt: ist es überhaupt möglich, dass zu wenig Geld im Umlauf sein kann? Weniger verfügbares Geld bedeutet ja zunächst einmal nur lediglich geringere nominale Preise. Die realen Preise, also das tatsächliche Knappheitsverhältnis zwischen den bestehenden Gütern untereinander, bleibt ja unberührt von der Menge des verfügbaren Geldes, also unverändert.

Kein Auto, Computer, kein Kasten Bier, Gin und Tonic, kein Butterbrot verschwindet, nur weil die Geldmenge sinkt. Lediglich die Preise als Signifikanten der aktuellen Knappheitsverhältnisse sinken bzw. verändern ihren Informationswert in Zahlen nach unten. Es spricht vieles dafür, dass der ein oder andere Vertreter der modernen Ökonomik bei der logischen Verbindung zwischen Geldmenge und Wohlstand einer Geldillusion aufsitzen: Mehr Geld – mehr Güter, mehr Wohlstand.

Was offensichtlich aber zu stimmen scheint ist, Güter schaffen Wohlstand, Geld nicht. Es gibt Menschen mit Unsummen an Geldvermögen, die in Lumpen rumlaufen und billigen Fusel saufen. Natürlich auch solche, die bestens gekleidet sind; auf Pump. Was diese Ökonomen fraglos dahin stellen, ist, dass der Konsum das einzige Ziel der Wohlstandserzeugung und -mehrung ist. Die glauben dann auch, dass die Menschen der Erde sich reich shoppen können, noch dazu mit immer mehr gedrucktem und geliehenem Geld? Weil das möglich ist, ist es aber noch nicht reell.

Die schöne Gleichung der Ökonomik: mehr Nachfrage nach Gütern = mehr Nachfrage nach Arbeit = steigende Löhne war und ist eine Illusion. Auf die falsche Gleichsetzung der Nachfrage nach Gütern mit der Nachfrage nach Arbeit hat Hayek in seiner detaillierten Darstellung der Beziehung zwischen dem Strom der Güter und von Leistungen hingewiesen, der ganz zentral seiner Meinung nach abhängig ist von den Abweichungen des Geldzinssatzes vom „natürlichen Zinssatz“, d.h. dem Zinssatz, bei dem Ersparnis und Investition sich ausgleichen.

Einmal abgesehen von dieser verzwackten Handlungsmaxime, hat heyeks Ansatz eine lebhafte Diskussion ausgelöst, wie Krisen unterschiedlich aus ökonomischen Gleichgewichtstheorien zu erklären sind. Hayek benutzt völlig gegensätzliche Theoreme im Vergleich zu Keynes, beide aber sind Gleichgewichtstheoretiker.

Hayeks Konjunkturtheorie zufolge war die Weltwirtschaftskrise nicht, wie Keynes behauptete, Folge von geringer Nachfrage, sondern von Fehlinvestitionen der Unternehmen und Banken, die wiederum Folge verfehlter staatlicher Geld- und Wirtschaftspolitik gewesen seien. Staatliche Interventionen auf dem freien Markt, wie Keynes sie forderte, seien also nicht die Lösung, sondern die Ursache der Wirtschaftskrise. Die Inflationspolitik vor 1929 habe den Zusammenbruch erst heraufbeschworen2.

Genauso wenig wie wir uns reich shoppen können, ist es möglich, durch schnelles Weiterreichen von Banknoten unseren Wohlstand zu steigern. Es entsteht lediglich eine flüchtige Wohlstandsillusion, begünstigt durch immenses Projektwachstum und andererseits durch beschleunigte Kapitalallokationen auf den Kapitalmärkten. Wir sahen aber bereits, dass nur die gleich gerichtete Manipulation der großen Währungen mittels quantitativer Lockerung (QE) einen dirkten, sichtbaren Absturz des US-Dollar verhindert hat.

Mit seiner Politik des QE heizt der Staat via Notenbank die viel gescholtenen Spekulationen an. Hatten vor der Finanzkrise die Notenbanken noch die Nebenaufgabe, den Staat am zu freizügigen Umgang mit Geld zu hindern, so ist es heute der Staat, dem der allzu freizügige Umgang gelegentlich doch zu weit geht.

Spätestens seit der Finanzkrise ist Inflation kein wirkliches Problem mehr. Sondern eher die Gefahr, dass die Preise zu langsam steigen oder sogar sinken könnten. Zugleich gibt es bei konservativen Politikern in den USA ähnlich wie in Deutschland die Tendenz, wie früher die Inflation als größtes Risiko anzusehen. Während früher Notenbanker Politiker gebremst haben, bremsen jetzt eher Politiker Notenbanker, die in einer Krisensituation kräftig zupacken und die Wirtschaft unterstützen wollen. Und die Ökonomik sitzt zwischen den Stühlen auf Brems- und Gaspedal zugleich.

Die Illusion der Ökonomik, mit immer ausgefeilteren Methoden ließe sich die Inflation, die eigentliche Zielgröße der Geldpolitik, auf den Punkt steuern, ist zerstoben. Nun, kurz vor ihrer Demission, räumt auch die Fed-Chefin Yellen ein, dass gewohnte wirtschaftliche Zusammenhänge nicht mehr so funktionieren wie früher und dass es dafür keine gute Erklärung gibt. Immerhin versucht sie noch etwas zu verkaufen, was auch früher schon nicht funktionierte und mit dem fast allen Notenbanken arbeiten, nämlich ein ökonomisches Gleichgewichtsmodell, das einen kausalen Zusammenhang zwischen Arbeitsmarkt und Inflation behauptet.

Demnach steigen die Löhne, wenn die Arbeitslosigkeit sinkt, weil ein Wettbewerb der Unternehmen um die knapper werdenden Arbeitskräfte entsteht. Und weiter in dieser Retrologik, soll der Lohndruck die Preise hochtreiben, also Inflation erzeugen. Steigende Inflation bzw. das Anwachsen von Notenbankmaßnahmen zur Bekämpfung einer zu sehr steigenden Inflation ist demnach auch das zentrale Kriterium für Wachstum und Wohlstand. So weit die Theorie.

In der Praxis ist von der Wirksamkeit dieses Mechanismus‘ aber kaum noch etwas zu beobachten. Weder in den USA noch in der Euro-Zone haben sich die gewünschten Effekte so eingestellt. In den USA sehen wir, glauben wir den Angaben der Datenauswerter, Vollbeschäftigung aber kaum Inflation. In Europa in den meisten Staaten Arbeitslosigkeit einerseits und nahezu Vollbeschäftigung in anderen Staaten und kaum Inflation. Es wachsen die Zweifel an den Modellen und ihrer Aussagekraft.

Natürlich müssen die Notenbanken die Illusion weiter hochhalten und den Zusammenhang von Beschäftigung und Inflation notorisch nuanciert kommunizieren, zumal Kommunikation ihr förderlichstes Geschäft ist. Aber was, wenn die Krise gar nicht so sehr aus der Kontraktion des Geldes entstand? Was, wenn unser Problem heute nicht zu wenig, sondern zu viel Geld ist?

Dann hätte oberflächlich betrachtet, die EZB wie die FED mit einem gigantischen Geldaufwand versucht, eine wirtschaftliche Entwicklung anzukurbeln und in Wahrheit wenig bewirkt.6 Wie Notenbanker sich selbst und den Märkten notorisch einreden, dass die Inflationssteuerung und selbst die gesamten unkonventionellen Maßnahmen hinzu genommen aktive Wirtschaftspolitik mit anderen Mitteln am anderen Orte sind, so ist damit noch nicht bewiesen, dass die Wirtschaft sich auch ohne diese Substitutionen langsam und wie gehabt erholt hätte und der Einfluss der Geldpolitik auf die Inflation trotz des ganzen Helikoptergeldes doch viel weniger ausmachte, als die Theorie glauben machen und Politik und Notenbanken angenommen haben.

Zu wenig Geld – zu viel Geld; beide Seiten der Gleichung stehen zur Disposition und stellen vor intellektuelle Herausforderungen, denen man so leicht nicht mehr mit der traditionellen Sichtweise auf den Zusammenhang von Geld und Zins begegnen kann.



Anmerkungen:

1 Bei einer Deflationsgefahr muss unterschieden werden, ob es sich um einen Preisdruck durch große Produktivitätszuwäche oder auch um Rückgänge von Importpreisen handelt. Dann spricht man von einer "benign deflation" (Borio/Filardo 2004) oder von einer Angebotsdeflation.
Borio, C./Filardo, A. (2004): Back to the future? Assessing the deflation record, Bank for International Settlements, Working Paper 152

2 Lt. Financial Times.

3 Vgl. Reinhart, C./Rogoff, K.(2009): The Aftermath of Financial Crises, Paper prepared for presentation at the American Economic Association meetings in San Francisco, January 3.
Siehe auch Clemens Fuest in: Carmen Reinhart & Kenneth Rogoff: Krisen gibt es immer wieder, wo er den Datenskandal bei der Auswertung der Finanz- und Wirtschaftskrisen diskutiert.

4 VGl. Judd, J./Rudebusch, G. (1999): The goals of U. S. monetary policy, in: FRBSF Economic Letter, January 29

5 Vgl. Thomas Mayer,Roman Huber: Vollgeld: Das Geldsystem der Zukunft. Unser Weg aus der Finanzkrise eBook .

6 Gäbe es heute bereits neben den gesetzlichen Zahlungsmitteln andere Währungen, käme das gesetzliche Zahlungsmittel im Wettbewerb mit freien Währungen bei so einem Zustand stark unter Druck.



Foto: monika m. seibel www.photographie-web.de



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